Leseproben und Projektbeschriebe

Demokratisch texten: Warum unsere Präambel zukunftsweisend bleibt

'Einfache Sprache' dient den Werten der schweizerischen Demokratie: Warum die Präambel der Bundesverfassung noch immer visionär ist – auch für Kommunikationsprofis.

13. Juni 2019   |   2 Minuten

Liebe Leserin, lieber Leser

"Frei ist nur, wer seine Freiheit gebraucht": Yes!

"Und die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen": Ja, genau!

Ich liebe diese Aussagen! 

Kennst du sie? Nein, sie wurden nicht von irgendeinem Sozi geschrieben. Das sind weder Parolen vom Frauenstreik noch vom Friday for Future, obschon im selben Paragraf auch von der "Verantwortung gegenüber der Schöpfung", "Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen",  von Rücksichtnahme und Achtung die Rede ist. 

Diese Sätze stehen in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Sie sind Teil unserer Präambel. Sie spiegeln den «Geist der Verfassung».

Diese klaren, visionären Aussagen unterstreichen den Gründungscharakter unseres Staates.  

Das haben manche Eidgenoss*innen und Scharfmacher*innen vergessen, verdreht oder schlicht nicht gewusst. Egal, für mich gelten sie. Mehr denn je. Sie sind mir eine gesellschaftliche, politische, spirituelle Orientierung. Denn mit klaren Werten kann ich mein Leben wert-voller leben. 

Sie bestätigen mich auch im Beruf. Denn mein Spezialgebiet 'Einfache Sprache' dient den Werten der schweizerischen Demokratie:

'Einfache Sprache' unterstützt das Recht auf Information. Dank ihrer Klarheit und Verständlichkeit bietet sie allen Bürgerinnen und Bürgern, allen Gästen und Zugewanderten in diesem Land Zugang zu unserem System. Denn nur wer unsere Sprache und unsere Texte versteht, kann verstehen, worum es uns geht. Kann am Karren mitziehen. Viele – viel mehr als du denkst – verstehen aber leider nichts

In der Schweiz ist die Forderung nach 'Einfacher Sprache' noch weitgehend unbekannt. Nun gut, wir Schweizer*innen sind eben immer ein wenig langsamer, gelangen dafür aber oft zu soliden Lösungen. In dieser Frage waren die USA wegweisend. Wie so oft werden dort die Trends gesetzt.

Das gilt auch für das Regelwerk dieser Trendsprache des Informationszeitalters. Denn in den USA wurde 2010 von oberster Stelle folgende Verordnung festgelegt: Die US-amerikanischen Bundesbehörden sind aufgefordert in einer „klaren und präzisen Sprache“ zu kommunizieren.

Sie sollen also Klartext reden. Ah, das wünschte ich mir auch von unseren Behörden und Organisationen! 

Genau das sieht der „Plain Writing Act“ der USA vor. Die offizielle Webseite der US-Regierung definiert 'Einfache Sprache' so: Sie verlangt, dass der Bürger und die Bürgerin das Gelesene oder Gehörte gleich beim ersten Mal verstanden haben muss. Klipp und klar soll es also geschrieben werden. Mehr über die Regelungen in den USA hier.

Jede*r soll verstehen, worum es geht. Auch die schnellen, fremdsprachigen, betagten, eingeschränkten Leser*innen.

Auch der Schwache. Denn an ihm misst sich die Stärke eines Textes. 

Schreiben wir also stark: Schreiben wir einfach!

Schöne Grüsse, Gabriela Bonin

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Original der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. September 1848

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