«Weitermachen wie bisher ist keine Option»
Welternährung greif- und fühlbar erklärt: Der «Weltacker» bei Basel zeigt, was auf den Äckern der Welt wächst – und wie wir das beeinflussen. Initiator und Netzwerker Bastiaan Frich zieht konstruktiv die Fäden.
Hinter ihm steht ein Wald, vor ihm liegt Kulturland. Bastiaan Frich, 31, sitzt auf einer Bank in Nuglar SO. «Ich bin gerne in Übergangsbereichen», sagt er. Während des Sprechens schaut er in die Ferne. Er redet schnell, aber ohne Hast. Fakten um Fakten führt er an, vermeintlich emotionsfrei: Etwa über das Leid, das via die globale Welternährungslage geschaffen werde, über den Weltagrarbericht von 2008, der aufgezeigt habe, dass «wie bisher weitermachen, keine Option» sei (siehe Box). Dazwischen wiederum lässt Frich sein Herz sprechen: Über mehr Frieden auf der Welt, mehr Freude und Wertschätzung für alle.
Sieht er sich als Weltverbesserer? Was ist sein Beruf? Die langweiligste Bezeichnung für ihn sei Biologe, antwortet er. Elf Semester hat er einst studiert, sich zudem in gewaltfreier Kommunikation und Permakultur ausgebildet. Rasch entwickelte er sich dabei zu einem Netzwerker, Brückenbauer, Kommunikator, Mutmacher – dank Intellekt, Unternehmungsgeist und Achtsamkeit. Man könne ihn auch «Aktivist» oder «Revolutionär» nennen, aber das sei negativ belegt. Lieber bezeichne er sich als «kulturell, kreativ schaffenden Friedens- und Wahrheitskünstler.»
Von der Bank her blicken wir auf ein Feld, auf dem fünfzig verschiedene Kulturen gedeihen: Unter anderem viel Soja, Mais und Reis, auch etwas Tabak und Baumwolle sowie einige wenige Gemüsearten. Das ist der sogenannte «2000 m2 Weltacker». Er stellt in Kleinstversion ein Abbild der globalen Agrarflächen dar: «Achtzig Prozent der weltweiten Anbauflächen werden von Grossbauern genutzt», erklärt Frich, «zwanzig Prozent von Kleinbauern.» Die grossen Monokulturen dienen, vom Reis abgesehen, zum Grossteil als Tierfutter, Energie und Sprit. Die Kulturen der Kleinbauern sorgen mehrheitlich für die Erzeugung von Nahrung und nebenbei für hohe Biodiversität. Die Zahlen sprechen für sich: Die Ackerbewirtschaftung ist global in Schieflage. Als er dies erkannt habe, so Frich, drängte es ihn zum Handeln: «Mir ist wichtig, Alternativen und Perspektiven aufzuzeigen..»
Mindestens so eindrücklich, wie die Daten, die aus ihm heraussprudeln, zeigen die Pflanzen auf dem Weltacker, was das konkret bedeutet: Man kann sie anfassen, fühlen, riechen, überschauen: Mit allen Sinnen erfährt man hier, wie die Welt ihren Bodenreichtum nutzt – und ausnutzt. Dazu haben er und die Mitglieder seines Vereins «Urban Agriculture Basel» die weltweite Ackerfläche durch die Anzahl aller Erdenbürger geteilt. Das ergibt rund 2000 Quadratmeter. So viel Ackerland würde jedem einzelnen Menschen rechnerisch in seinem Leben zustehen. Mit so viel nutzbarer Erde müsste jeder einzelne Mensch eigentlich für seine Ernährung auskommen. So gross ist denn auch das kultivierte Feld in Nuglar. Darauf sind die Kulturen in dem Verhältnis angepflanzt, wie sie weltweit angebaut werden. Info-Tafeln erklären die komplexe Lage auf einfach verständliche Weise.
Aufklärung ist denn auch ein grosses Anliegen von Frich: «Die globale Ernährungslage ist intransparent. Lakonisch fügt er hinzu: «Darum muss man vor den Missständen noch nicht einmal die Augen verschliessen.» Mit dem Weltacker schaffe man Transparenz. Diese solle zu einem freudigeren, achtsameren Umgang mit der Natur anregen – und zu einem bewussteren Konsumverhalten, denn «jede Mahlzeit und jeder Einkauf ist ein Auftrag an die Landwirtschaft.»
Mit dem Bildungsprojekt Weltacker ist Frich als Teil einer internationalen Initiative aktiv: Weltäcker sind auch in Deutschland, Syrien, der Türkei, Kenia, China, Schottland und Schweden entstanden. In der Schweiz wollen Frich und sein Team im Mai 2019 auch einen zweiten Weltacker in Attiswil BE eröffnen.
Damit nicht genug: Zwar ist er bereits Initiant, Vorstandsmitglied, Gründer, Präsident diverser, zum Teil prämierter, auch internationaler Projekte im Bereich Ernährung und Ökologie, aber er sprudelt nur so vor Visionen. «Ich kann meine inneren Ressourcen sehr gut nutzen», sagt er. Auch schöpft er aus seinem Tun viel neue Kraft: «Ich bin ein pragmatischer Realist und zugleich ein hardcore Optimist». Höchste Priorität in seinem Leben haben seine Familie, seine Freunde, sein «Tribe», sagt der Vater von zwei Kindern. «Mit meinem Sohn streife ich oft durch die Natur. Wir suchen gerne unseren Zauberplatz auf. Ich staune täglich ob der Wunder der Natur». Es scheint, als ob die Atmosphäre auf dem Weltacker auch dieses Staunen und Frichs Sinn für Übergänge an die Besucher weitergibt.
Info-Box: Weltacker 2000 m2
Der «2000 m2 Weltacker» befindet sich im solothurnischen Nuglar, nur wenige Kilometer von Liestal entfernt. Mehr Informationen über Urban Agriculture Basel und 2002m2. Impressionen vom Weltacker findet man auch auf Youtube. Bastiaan Frich entwickelte sein Engagement aufgrund des Weltagrarberichtes von 2008: Dieser zeigt auf, dass die globale Landwirtschaft von Strukturen geprägt ist, die der Biodiversität schaden und soziale Ungerechtigkeit verursachen. Dadurch verschärft sich die Hungerproblematik. Der Weltagrarbericht zeigt Lösungsansätze auf.
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