Leseproben und Projektbeschriebe

Unterschiede beim Bloggen und wissenschaftlichen Schreiben

Unterschiede und Gemeinsamkeiten beim Bloggen und wissenschaftlichen Schreiben: Eine Orientierungshilfe.

21. Oktober 2020   |   4 Minuten

Die beiden Textformen haben nichts miteinander zu tun, werden manche Leute denken. Oh doch!

Das fällt mir regelmässig auf, weil ich an einer Fachhochschule als Text-Coach arbeite. Dort coache ich Kursteilnehmende, die einen Blogbeitrag verfassen müssen.

Sie haben keine leichte Aufgabe: Die Frauen und Männer, die ich berate, sind Informatik-Fachleute, nicht Profi-Texter*innen. Die meisten unter ihnen haben keine Erfahrung im Bloggen.

Sie werden dazu verdonnert. Weil sie als CAS-Teilnehmende die Aufgabe erhalten, aus ihrem Unterricht heraus zu bloggen. Damit sie das Bloggen im Eigenstudium lernen. Bald schon gehört das zur Allgemeinbildung. Unternehmen setzen diese Qualifikation einfach so voraus: «Ach, bitte, stell dieses Thema doch noch kurz auf unseren Unternehmens-Blog», heisst es öfter mal…

Und jetzt? Manche Neu-Bloggende sind gestresst. Andere nehmen es locker. Viele tun das, was sie an Hochschulen bereits gelernt haben: Sie schreiben so, wie wenn sie eine wissenschaftliche Arbeit abzugeben hätten. Das klingt dann meist sehr distanziert und klug. Im Ton und Stil ist es aber nicht das, was Bloglesende suchen, wenn sie sich auf einem Unternehmensblog (Corporate Blog) umschauen.

Daher biete ich hier eine Gegenüberstellung der beiden Textformen an.
Wer diese kennt, wird’s garantiert einfacher haben beim Bloggen.

Im Idealfall findest du sogar Spass daran 😉 

Gemeinsamkeiten

  • Autor*innen beweisen in beiden Textformen Fachkompetenz.
  • Sie erarbeiten Texte eigenständig. Fremde Quellen verwenden sie mit Mass und kenntlicher Quellenangabe (bei Blogbeiträgen via Verlinkung, bei wissenschaftlichen Texten gemäss akademischen Standards).
  • Sie schreiben in klarer, präziser, gut verständlicher Sprache. Dabei verzichten sie auf gestelzte Formulierungen, komplizierte Schachtelsätze, Ausschmückungen, Kunst-, Mode- und Füllwörter.
  • Sie ersetzen unnötige Fremdwörter/Anglizismen mit deutschen Begriffen oder setzen sie nur mit Mass ein.
  • Es gilt: ein Satz, ein Gedanke. Wichtiges schreiben sie in den Hauptsatz und Zusätze in den Nebensatz.
  • Sie berücksichtigen Etikette und Nettiquette (Fairness, guter Ton).
  • Sie kümmern sich um korrekte Rechtschreibung und Grammatik.
  • Gendergerechte Schreibweisen sind für sie zunehmend eine Selbstverständlichkeit.

Unterschiede

Blogbeiträge sind eine eigene Textsorte. Innerhalb eines Corporate Blogs bedienen sie diverse Zielgruppen und Teilöffentlichkeiten. Sie haben ein anderes, breiteres Zielpublikum als wissenschaftliche Texte (sofern sie nicht für einen Wissenschafts-Blog verfasst werden).

Sie sind insofern anspruchsvoll, als dass sie höhere Anforderungen an die Verständlichkeit, Kürze und leserfreundliche Präsentation stellen als wissenschaftliche Arbeiten. Sie können indes auch mit Vergnügen verfasst werden, weil sie mehr Freiheiten zulassen. Blogbeiträge öffnen den Schreibenden ein weites Feld, um ihre Kompetenzen, Erkenntnisse oder Meinungen zu präsentieren, um Eigenmarketing zu betreiben und mit der Community zu diskutieren.

Wissenschaftliches Schreiben

Corporate Blogging

Themenwahl auf wissenschaftliche Arbeit fokussiert.

Freiere Themenwahl. Vermittelt unter anderem Hintergründe und Ausblicke. Zeigt Trends auf und gibt nützliche Tipps.

Folgt wissenschaftlichen Standards und jeweiligen Vorgaben der Bildungsinstitute.

Folgt der Content-Strategie des betreffenden Bloggers bezw. seines Unternehmens, erlaubt verschiedenste Schreibformen, mehr Freiheiten und persönliche Eigenheiten.

Ausführliche, eher lange, fundierte, in sich abgeschlossene Texte.

Reduziert Komplexität auf kurze, prägnante, rasch lesbare Blogbeiträge (Serien-Charakter).

Arbeitet ein Thema umfassend und wissenschaftlich fundiert auf.

Präsentiert einen Teilaspekt eines Themas knapp, klar und laiengerecht. Auf vertrauenswürdigen Quellen basierend.

Akademischer, wissenschaftlicher Ton und Stil, formale Ausdrucksweise. Strahlt intellektuelle Redlichkeit aus.

Populäre, eindringliche, gut verständliche, persönlichere Ansprache. Nahe an gesprochener Sprache. Spritzige, stimulierende Elemente dürfen (sparsam eingesetzt) für gewissen Unterhaltungswert sorgen.

Richtet sich an akademische Community, Fachwelt, Wissensgemeinschaft und die bewertenden Betreuer*innen.
→ Hohe Wissenschaftlichkeit, keine populären Inhalte.

Richtet sich an ein breit gemischtes, heterogenes Zielpublikum: Zum Beispiel an Stakeholder, Partnerunternehmen, Behörden, Medienschaffende, ein interessiertes Laienpublikum.
→ inhaltlich stark nutzenorientiert: Leserschaft erhält Lösung für ein Problem, neue Erkenntnisse oder Prognosen.

Wendet sich mittels Fachdiskurs an eine hochqualifizierte und spezialisierte Leserschaft. → Expertise aufzeigen.

Setzt auf Interaktivität mit Leserschaft. Bietet Hilfeleistung für interessierte Laien und Fachpublikum, erklärt zum Beispiel Fachbegriffe (das geht auch platzsparend via Verlinkungen auf Hintergrundinformationen, Fachlexika, Wikipedia etc.).

Neutrale, sachliche, nüchterne, wertungsfreie Auseinandersetzung mit Thema. Bewahrt Objektivität, argumentiert wissenschaftlich.

Authentizität ist gefragt. Sie entsteht durch die Subjektivität der/des Schreibenden. Auf Sachlichkeit und Kompetenz aufbauend darf der Beitrag darum auch persönliche, wertende, engagierte, visionäre oder provokative Aspekte aufbringen – je kühner die Aussagen, je besser gilt es, sie fachlich zu begründen. Gefragt sind Mut zu persönlichen Einschätzungen, Meinungen, Erfahrungswerten. Eine Prise Humor ist erlaubt. Auf Sarkasmus oder Zynismus soll verzichtet werden.

Formale Gestaltung gemäss Vorgaben für wissenschaftlichen Arbeiten der jeweiligen (Fach-) Hochschulen.

Freiere Gestaltungsmöglichkeiten. Text sollen/können auch mit Erklärvideos, Bildern, Grafiken oder Videos (Eigenproduktion oder Expertenvideos) ergänzt werden.

Klassische Struktur gemäss
Hintergrund, Fragestellung/Hypothese, Material/Methode, Ergebnisse, Schlussfolgerung.

Thematisiert das Wichtigste zuerst. Preist Thema zu Beginn an, verkauft es gut, «teasert» es an, weckt Interesse. Stellt Nutz- und News-Wert bzw. Lerneffekt für die Leserschaft in den Vordergrund. Zukunftsorientiert: Mehr Ausblick weniger Rückblick.

Spricht Leserschaft nicht direkt an.

Lesende dürfen per Du oder per Sie direkt angesprochen werden.

Ich-Form nur erlaubt, wenn nötig (z.B. Vorwort, Reflexion, Danksagung).

Ich-Form mit Mass erlaubt, sofern sie der Authentizität dient (keine Ich-Bezogenheit).

Akademische Quellenangaben, Zitatnachweise und Literaturlisten sind Pflicht.

Seriöse Quellen/-Literatur- und Zitatangaben sind erwünscht, dürfen auch aus nichtakademischem Umfeld stammen. Auf Online-Quellen verlinken. Gedruckte Quellen am Ende des Beitrags auflisten.

Verwendet oft Nominalstil insbes. in Titeln (das verleiht den Charakter von Objektivität). Dieser ist durch Nomen und Substantivierungen geprägt.

Leserfreundlichkeit im Vordergrund. Man setzt daher auf Verbalstil mit lebendigen Verben – auch im Titel. Das steigert die rasche Lesbarkeit (Nominalstil: «Empfehlung zur regelmässigen Änderung des Passwortes zum Schutz vor …», Verbalstil: «Wir empfehlen Ihnen, regelmässig Ihr Passwort zu ändern, um sich vor … zu schützen»).

Texte sind oft im Passiv verfasst, weil dies Objektivität ausstrahlt (handelnde Person ist nicht wichtig, bekannt oder vorhanden).

Benennt die Handelnden, setzt daher auf Aktivformen. (Beispiel: «Die Erhebung der Daten wird geprüft», besser: «Das Team XY prüft, wie es die Daten erheben kann.»)

Abstrakte Sprache

Konkrete Sprache (mit lebendigen, gut vorstellbaren Beispielen)

Zum weiterlesen: Wissenschaftlich schreiben mit Stil

Schöne Grüsse, Gabriela Bonin

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