Leseproben und Projektbeschriebe

Naturwunder Moor entdecken

Zum «duureschnuufe» sei es hier im Entlebuch, zum Durchatmen! So verspricht es eine der Broschüren, die wir im Bauernhof Salwideli in Sörenberg durchblättern. Gut möglich.

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Zum «duureschnuufe» sei es hier im Entlebuch, zum Durchatmen! So verspricht es eine der Broschüren, die wir im Bauernhof Salwideli in Sörenberg durchblättern. Gut möglich. Wir haben es uns auf den Betten in einem schlichten, getäferten Bauernhofzimmer bequem gemacht und blättern durch die Hochglanz-Prospekte: Da sieht man Bilder vom Rothorn im Abendrot und Fotos von kreischenden Teenagern auf Trottinets. Wir studieren darin auch die Wanderrouten auf der nahegelegenen Schrattenfluh, einer Karstlandschaft mit spektakulären Felsspalten. Ich blicke zwischendurch auf und betrachte meine Familie: Alle völlig schlapp! Mein Blick geht weiter durch Spitzenvorhänge und rote Geranienblüten zu einem mächtigen Bergpanorama. Ich atme probehalber durch. Mein Atem ist flach.

Die kurvige Anfahrt hat unseren Töchtern etwas zugesetzt. Wir Eltern sind gedanklich noch im Büro, weit entfernt von Erholung. Während wir einziehen wollten, musste der Bauer hier erst die Kühe mit ihren überstelligen Kälbern auf die Weide treiben, «Vorsicht! Alle aus dem Weg!» ruft er uns zu. Auch die Bäuerin hat alle Hände voll zu tun. Von Beschaulichkeit merke ich grad noch nichts. Gibt’s hier einen Knopf, mit dem man auf Entspannung umstellen kann?

Durchaus: Als wir am nächsten Morgen von Vogelgezwitscher geweckt werden, schaltet er von selbst um. Auf dem Frühstücksbuffet duften eine Kanne Kaffee und ein noch warmer Bauernzopf. Mhm! Ich ziehe den Frühstücksduft durch die Nase, schnuppere an einem Stück Entlebucher Alpkäse und an hausgemachten Trockenwürsten, atme tief ein… Ja, genau, das ist es! Kein Stress mit dem Frühstück, kein Abräumen und Abwaschen. Sich einfach hinsetzen, das Bauernfrühstück geniessen, durchs Panoramafenster hindurch das Wolkenspiel über den Bergen beobachten – und «duureschnuufe».

All das da draussen gehört nun uns! Diese Welt über dem Hochnebel, dieser neue Frühling! Wir zockeln los Richtung Moorlandschaft. Auf jedem Hügel rundherum bimmelt eine Kuhherde. Es zirpt und summt, zwitschert und gluckert, ansonsten gibt’s hier nur Stille. Und Weite. Und gute Luft.

Unsere Wanderung umfasst eine Teilstrecke des 80 Kilometer langen Moorlandschaftspfades. Dieser ist ein gemeinsames Projekt von Pro Natura und der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Schliesslich gelangen wir auf den «Sonnentauweg», der zum Moor-Erlebnispark «Mooraculum» gehört. Wir wandern durch einen Hochmoorwald und über Flachmoorwiesen. Dabei begegnen wir in echt oder auf Info-Tafeln den seltsamsten Wesen, so etwa eine Hochmoor-Mosaikjungfer. Das ist eine der grössten und selten Libellenarten in Mitteleuropa. Wir sehen auf einer Fotografie, wie ein Rundblättriger Sonnentau einen Schmetterling verspeist – er ist eine fleischfressende Pflanze, die hier gedeiht. Die anfängliche Lustlosigkeit der Kinder ist verflogen. Es wird spannend.

Unsere Sinne werden geweckt durch eine «Lauschinsel», durch Barfuss-Erlebnisse, Lichtspiele und Natur-«Massagen». Schliesslich baumeln wir in kugeligen Hängesitzen in einem Tannenwäldchen, nebenan hält sich ein indisches Paar die Hände. Sie erleben hier gerade Swissness vom Besten. Von weitem quaken Frösche. Das klingt beruhigend und täuschend echt, stammt indes aus einem Lautsprecher von einer Station, die über das Leben der Amphiben informiert.

Nach dieser Pause tummeln wir uns durch den Spiel- und Erlebnispark des «Mooraculums». An dessen Teichen mit Wasserspielgeräten, an den Kletterspielen, Experimentierstationen und Picknickstellen sieht man ein einziges grosses Herumwuseln, Balancieren, Plantschen und Hantieren. Selten blühen auf einem Spielplatz so viele Väter auf, reiben sich Touristen vor Überraschung die Augen, stillen Mütter so entspannt auf hölzernen Liegesofas ihre Babys, geben sich Kinder so selbstvergessen ihrer Neugier hin. Und manch ein Grossvater staunt über das vielfältige Angebot, das nach bester Handwerksarbeit und mit Liebe zum Detail gestaltet wurde.

Der Spielplatz liegt neben dem Erlebnisrestaurant Rossweid, bei der Bergstation der Gondelbahn. Von hier aus könnten wir Trottinetts (Bikeboards) mieten und damit nach Sörenberg Flühli hinunter rasen. Das haben wir vor kurzem erlebt, an einem Kindergeburtstag, den wir im «Mooraculum» mitfeiern durften. Die anschliessende Trottinet-Sause war Mutprobe und Gaudi in einem. Heute aber wollen wir gemächlich zu «unserem» Bauernhof zurückwandern.

Auf dem Rückweg, spüren wir, dass die Moorpfade tatsächlich federn. Nun haben wir auch ein Auge für all die kleinen Blumen zwischen den Stängeln in den Binsen und Seggen. Der Rundweg hat uns dafür die Sinne geweckt. Jetzt geht das auch bestens mit dem «duureschnuufe».

BOX

Das Mooraculum liegt in der UNESCO Biosphäre Entlebuch, oberhalb von Sörenberg in der Zentralschweiz. Schlafen auf dem Bauernhof kann man unter anderem im «Salwideli»Anfahrt: Per Bahn via Luzern-Schüpfheim, ab dort mit Bus nach Sörenberg Dorf. Mit dem Gondeli weiter bis zur Rossweid und zum «Mooraculum». Mit Auto bis zur Gondelbahn «Rossweid» in Sörenberg: Ab Zürich auf der A4 via Luzern, ca. 2 Std., ab Basel auf A2 via Zofingen ca. 2 Std., ab Bern auf der Route 10 via Trubschachen, 1 Std. 20 Min. Mehr Infos. Mehr Bauernhöfe.

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