«Ohne Bärenspray gehe ich nicht auf Trekkingtour»
Tiere, Natur und Abenteuer prägen das Leben von Anju (11) in Kanada. Sie ist damit vollauf zufrieden – nur auf die Bärenbesuche könnte sie gut verzichten.
Von Thun in den Yukon in Kanada: Die elfjährige Anju und ihre Geschwister Lou (8) und Ava (4) leben in der Abgeschiedenheit von Kanada. Die drei Kinder sind alle mit Hausgeburten in abgelegenen Blockhütten zur Welt gekommen. Die Schweiz kennen sie von den Ferien bei ihren Grosseltern in Bern und Thun. Dort isst Anju gerne Crèmeschnitten und – natürlich – Schokolade. Ihre Eltern Carmen (37) und Robert (57) sind vor zwölf Jahren aus der Schweiz ausgewandert und haben sich im Yukon, im äussersten Nordwesten von Kanada, ein neues Leben mitten in der Natur aufgebaut. Dort leben sie mit ihren Kindern, Hunden, einem Pferd, einem Esel und zahlreichen Kleintieren direkt am Wheaton River, etwa 65 Kilometer von der Stadt Whitehorse entfernt. Sie erhalten indes viel Besuch, weil sie ihr Outdoor-Unternehmen «Abenteuer Wheatonriver» betreiben, an dessen Touren Anju wenn immer möglich teilnimmt. Dank ihren Natur-, Tier- und Kochkenntnissen ist sie für ihren Vater, den Tour Guide, eine begeisterte Assistentin.
«Um meine Schule zu erreichen, bin ich mit dem Schulbus eineinhalb Stunden pro Weg unterwegs. Für das Mittagessen nehme ich von zu Hause eine Lunchbox mit. Ich besuche die Schule nur von Montag bis Donnerstag, am Freitag machen wir „homeschooling“. Meine Eltern halten dann jeweils Deutschlektionen mit Lou und mir.
Am liebsten bin ich bei unseren Tieren: Fürs Füttern und Ausmisten benötige ich jeweils etwa eineinhalb Stunden. Das mache ich gern an den schulfreien Tagen. In den Sommerferien darf ich meinen Vater auf den Familientouren begleiten. Wir beobachten dann Elche, Bären, Adler, Luchse. Wir fangen Fisch. Ich koche gerne, mache zum Beispiel Risotto oder Pizza auf dem offenen Feuer. Ebenso helfe ich beim Wasser holen, Abwaschen, beim Zeltauf- und abbau. Und ich zeige den Kindern der Touristen, wie toll man mit Naturmaterialien spielen kann.
Wir betreiben unser Haus mit Solar-Energie, deshalb gehen wir sparsam mit Strom um und haben keine Dusche mit Warmwasser. Meine Geschwister und ich haben auch keine elektronischen Gadgets und keinen Fernseher. Aber wir skypen manchmal am Computer mit den Grosseltern und schauen gerne DVD-Filme. Seit ein Bär vor unserem Haus eines unser Schafe gerissen hat, gehe ich nachts nur noch in Begleitung unseres Herdenschutzhundes auf die Toilette: Unser Plumpsklo steht nämlich draussen auf dem Hof. Während den Trekking- und Kanutouren habe ich immer einen Bärenspray dabei. Damit kann ich mich gegen einen angreifenden Bär schützen. Ich habe keine Angst von Bären, aber Respekt.»
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