Leseproben und Projektbeschriebe

Garten Eden

Der Ort liegt am Ende der Welt, die Reise dahin ist zermürbend aber lohnend, denn da hinten, im philippinischen Minodoro, hat Gott ein Stück seines Garten Edens vergessen: Pandan Island – eine Hektare Frieden.

Alles, so scheints, hat der moderne Mensch auf dieser Erdkugel schon gemacht: Hemmungslos im Big Apple geshoppt; dröge auf den Champs Elisees flaniert; errötet durch Pat Pong gestrolcht; vor Jahren schon hinter kenyianischen Giraffen hergerumpelt; balinesiche Sarongs auf die Hälfte runtergehandelt; und echten, sardischen Käse verspiesen, den, mit den Maden drin – alles gehabt, alles gesehen: Kapstadt, schön, hat coole Nightclubs… Hanoi, romantisch, aber etwas trist… London, tja, auch nicht mehr, was es mal war… Casablaca, Toronto, Moskau: Been there, done that.

Was nun? Burma vielleicht, Nordkanada wär auch nicht schlecht, oder doch mal noch nach Patagonien? Irgendwohin, wo die Fünf-Stern-Hotels noch nicht waren, wo man Kravatten nur aus Zeitungsbildern kennt und noch nie ein Handy gesichtet wurde. Wo sich die staubigen Schotterstrassen nach einem Regenguss zu Morastfeldern wandeln und die Männer zu glänzend-stossender Muskelkraft; wo hin und wieder – aber ganz selten – ein Eingeborener von einer Python verschlungen wird; und wo man, sobald man über den Kanal gesetzt hat und einem der feine Muschelsand zwischen den Zehen kitzelt, die beste französische Küche von ganz Mindoro bekommt: nach Pandan Island also, einer der 7107 philippinischen Inseln. Einen Kilometer lang, 500 Meter breit, mit 600 Metern Sandstrand, 150 Palmen, einem kleinen Urwald, dahinter Felsen. Bevölkert von zwanzig Filipinos, zwei Franzosen, vier Schweizern und höchstens vierzig Gästen.

Mehr Menschen braucht es auf dieser Insel nicht. Denn wenn man hier eines nicht schätzt, so ist es die Unruhe. Auf Pandan regiert die Musse, dieses seltene, scheue Wesen, dass sie in New York, Paris oder Kapstadt längst zum Teufel gejagt haben – bringt ja nichts, diese Musse, keine Autos, keine Fernsehapparate, keine Aktien, nicht mal rechte Schuhe. Wozu auch: in Pandan lässt man sich auf Booten fahren, schlurft barfuss oder in Slippers die schmalen mit Amarilis umsäumten Wege ab, verschnuppert sich an purpurlockenden Frangipani-Blüten oder schnappt sich ein knuddelweiches, flaumiges Gänsekücken, und kitzelt es solange am Bauch bis der Ganter einem fauchend in die Waden zwickt. Geld und so hässliche Dinge wie die Rückflugtickets gibt man in den Safe, und fortan zahlt man bloss mit seinem Namen.

Die meisten Gäste wollen hier nur eines: ausgedehntes Fernsehen, Schauen und Staunen in die Live-Programme der Natur: ins Meer hinein, dem Favoriten der Inselbesucher, ausgestattet mit unzählbaren Blautönen, mit perlendem Türkis, samtenen Königsblau, zischendem Grüngrau, und darunter einer Farbenwelt für die Taucher und Schnorchler, die einem den Glauben an Atlantis neu erwecken mag: da tanzen die buntesten Fischvölker, wiegen sich sanftrosa die Quallenwesen, locken prall-lila-grüne Muschellippen, umarmen rote Seesterne ihre Korallenfreunde und räkeln sich nackte, schwarz-grüne Schnecken auf dem sandigem Grund.

Und der Taucher bettet sich auf eine Strömung, lässt sich an den wiegenden Korallen entlanggleiten, breitet die Arme aus zum Flug, segelt schwerelos durch den weissgoldenen Regen der Sonnenstrahlen. Darunter im Dunkelblau hocken einsam die grimmig-grauen Steinfische und Moränen; schnellen gehässige Drückerfische vor, um blindversessen ihre Brut zu schützen – und lauern jene bizzaren, glotzäugigen Unwesen, die der Taucher zuweilen im Tiefenrausch aus sich heraus gebiert.

Haie gibts hier keine, dazu lassen sich die Inselgäste mit den einheimischen rot-gelben Auslegerbooten während zwei Stunden nach Westen fahren, tauchen oder schnorcheln dann 1 bis 50 Meter tief in den Gärten von Apo Reef. Das weltweit zweitgrösste Korallenriff gilt als eines der spektakulärsten philippinischen Tauchgebiete und wartet mit Haien, Barakudas, Mantas und Schildkröten auf. Apo Reef steht wie auch der Pandan-Marine-Park unter Naturschutz.

Spätestens hier winken die Nicht-Taucher müde ab, von unten mögen sie das Meer nun mal nicht und von oben haben sie es schon tausend mal geschaut. Blau ists halt, und nun? Langeweile bereitet sich aus… Beste Voraussetzung, um einer Hängematte auf Pandan wirklich gerecht zu werden: man fläzt sich hinein, dusselig von der Hitze, dämmert mit geschlossenen Augen im Halbschlaf, atmet eine Stille, die alle Sinne liebkost, lauscht einem Summen, Zirpen, Fiepen, und Singen, das die Erinnerung an quäkende Computer und piepsende Shopping-Kassen sachte ausradiert. Schon ertappt sich der moderne Mensch, gänzlich faul zu werden, schaukelnd und mit debilen Lächeln ganze Karrieren vergessen zu wollen, unbeschwert und gerade noch kräftig genug, um sich später für den Sunset-Apero zur Bar zu schleppen.

Tropenstimmung wie überall – könnte man meinen – schon gesehen und erlebt in den 5-Sterne-Anlagen der Karibik oder in Pattaya, nichts Neues… Pandan aber ist anders. Es ist ursprünglicher und ferner, ein wenig verschlafen, vergessen, vernachlässigt. Unperfekt und vielleicht daher so liebenwert. Es liegt am Ende der Welt, vor Minodoro, einer der unterentwickeltsten Regionen der Philippinen, wo es im nahegelegenen Städtchen Sablayan eine Zwei-Stunden-Nervenprobe erfordert, um ein e-mail zu verschicken und wo die eingeborenen Bergbewohner, die Mangyans, noch mit Lendenschurz und Speer zum Marktgang kommen.

Touristen sind hier rar. Denn die 40'000-Einwohner-Stadt hat bloss zwei, drei simple Pensionen und ein kleines Resort zu bieten, und nicht ein einziges rechtes Restaurant; der direkte Fährenverkehr von Manila wurde korruptionsbedingt eingestellt; und der lokale Flughafen liegt brach, seit die letzte Maschine in einem der zahlreichen Löcher der Landepiste stecken blieb und die Airlines sich fortan weigern zu landen, ehe nicht die Piste asphaltiert werde. Der Asphalt indes wandert zu den Villen weniger Reicher, dorthin, wo auch die Gelder der Entwicklungsorganisationen zu versickern scheinen, die Investionen für eine rechte Strasse, für zivilisatorische Errungenschaften wie Telefonleitungen oder zuverlässige Stromversorgung. Aber was solls, niemanden scheint dies ernsthaft zu bekümmern, denn schon morgen wird wohlmöglich alles besser sein…

Die lokalen Reisbauern und Fischer ergeben sich willig in ein beschränktes, bescheidenes Leben, ziehen viele katholische Kinder gross und danken ihren ehemaligen US-Besetzern für deren importierten Unmassen an Colabüchsen, Plastiktand und die allererorts ruckelnden Jeepneys, jenen ausrangierten amerikanischen Schulbussen, die den kleinwüchsigen Filipinos als wichtigstes Transportmittel gerade genügend sind, und die sie randvoll mit Kindern, Hühnern und Kisten vollstopfen, auf den Dächern abgerundet mit prallgefüllten Reis- und Maissäcken.

Die Männer verbringen ihre Tage, manchmal ganze Wochen auf See, kämpfen selbst bei Sturm und Taifun auf ihren Auslegerbooten um die nächste Ladung Fisch. Oder sie rackern sich mit ihren kolossalen Wasserbüffeln auf den Feldern ab, umwälzen Scholle um Scholle mit ihrer Muskelkraft. Abends vergnügen sie sich bei Hahnenkämpfen und Bier, derweil die Frauen, nach einem Tag mit gebückten Rücken und Reissetzlingen, dem lieben Gott und ihren anderen Geistern kindlich Ehre bekennen, Fische in Sojasauce braten, ihre Kleinsten lausen, sich derweil mit honigsüssen Lovesongs berieseln lassen und so hingebungsvoll mitsingen, dass sie später beim Karaoke nicht die kleinste Unsicherheit zu kennen scheinen.

Gegenüber, nur zwei Kilometer von Sablayan entfernt, zieht es auf Pandan die Gäste an die runde, strohbedeckte Bar, gleichsam angelockt wie die Bienen vom Honignapf. Die Bar ist das Zentrum der Insel, das weit mehr als Drinks, Poolspiel und Tratsch zu bieten hat: Hier residiert Dominique – Boss, König und Oberfranzose der Insel, ein immerfröhliches Männchen mit wirrem Haar, trüber Brille, dürren O-Beinen und verwaschenen Shorts. Ein Herz von einem Gastgeber, der selbst nach 12 Jahren unentwegter Besucherschar sich in steter Selbstzufriedenheit zu einem Spässchen oder Spielchen hinreissen lassen mag, selbst morgens um drei, wenn schon längst keiner mehr zuhören mag – Dominique ist da.

Man kann sich des Gedankens an Asterix und Obelix nicht erwehren, wenn sich schliesslich Dominiques Geschäftspartner Denis ins Blickfeld schiebt, ein massiger, wortkarger Mann mit Glatze und wohligem Bauch, der Mann für den Hintergrund, für das Führen der Angestellten, für die Boote und jenen Hauch von Geschäftssinn, der Dominique aus lauter Gerechtigkeitsinn und Ehrlichkeit völlig abgeht. Beide scheinen Sie in der Bar zu leben, ihr Wohnhaus bloss als Büro zu nutzen und den Weg dahin als Petangue-Feld.

Die Bar dient zugleich als Reception, Dorfplatz, Kiosk, Leseecke, Partyraum und Konferenzzimmer, ebenso als Schlafplatz dreier grosser Gecko. Kinder finden hier Sirup, Ballspiele und immer irgendeine Filipina, die mit ihnen scherzen mag. Für die Erwachsenen gibts Zeitungen, kühles Bier und den Blick ins gigantische Sternenmeer. Und nebenan im Restaurant eine Küche, die bekanntlich die beste französische – und wohl auch filippinische – Kost in Mindoro herzuzaubern vermag: einfach, frisch, liebevoll.

Das sollte genügen, denn viel mehr wird den Gästen vom Inselmanagement nicht geboten, ausser natürlich die 16 hübschen, bescheidenen Bungalows, darin ein Bett, Moskitonetz und ein Quentchen Licht, denn Stromleitungen gibts auf der Insel keine, bloss ein wenig Energie von den Sonnenkollektoren. Und täglich ein Karnister Süsswasser, mehr nicht, denn auch Grundwasser führt die Insel nicht.

Gerade in diesen kleinen Entbehrungen vermag der Besucher den wahren Reichtum der Insel erkennen: Das friedvolle Zusammentreffen verschiedener Kulturen und Menschen, die auch ohne Air Condition, Kino und Badewanne leben mögen; hinzu die üppige Fauna im kleinen Dschungel; die menschenleeren, weissen Strände, an denen man, sofern man auf die Rückseite der Insel geht, durchaus auch nackt baden kann; die überraschende, schüchterne Vogel- und Reptilienwelt, die ultimativ andere Dimension unter Wasser, die stillen Kayakfahrten um die Insel oder den Fluss hoch – dies alles verführt einem dazu, der Musse Einlass zu gewähren, gedankenverlorenen mit einem Einsiedlerkrebschen zu spielen, wieder mal Gedichte zu lesen (die findet man in der Bibliothek des Tauchshops), Sternschnuppen zu schauen und irgendwann mit bangem Herzen an die Rückkehr in jene moderne Zivilisation zu denken, die einem noch vor wenigen Tagen so gänzlich unentbehrlich schien.

Infos

Reservation: möglichst frühzeitig über www.pandan.com. Detaillierte Angaben über Anreise, Preise, Bungalows und Tauchgründe finden Sie ebenso unter www.pandan.com

Pandan Fanpage bei facebook.

beste Reisezeit: Dezember – Mai
Visa: erhält man bei der Einreise für 21 Tage
Impfungen: keine nötig

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