Leseproben und Projektbeschriebe

Lust aufs Landleben

Durch Wiesen und Wälder streifen, Tiere füttern, am Feuer sitzen, in die Sterne schauen und im Tipi in den Schlaf fallen: Ferien auf dem Bauernhof sind für Familien ein romantisches Abenteuer.

Das Haar verstrubelt, den Schlaf noch in den Augen stolpert die achtjährige Levana barfuss zum Traktor und ruckelt los. Ein Heer von Sonnenblumen blickt nach Osten, Libellen kreisen um hügelige Kornfelder, drei reglose Esel staunen über das Mädchen auf seinem Plastik-Gefährt. Summend lenkt es das Elektrowägelchen kreuz und quer in Richtung Frühstücksbuffet.  

Morgens um sieben ist auf dem Hof der Familie Neuenschwander in Rickenbach LU längst Tagwache, nicht nur für die Bauern sondern auch für gewisse Gäste, die hier ihre Ferien oder auch nur ein Wochenende verbringen: Sie wohnen in schlichten Gästezimmern oder im ehemaligen Stöckli der Grosseltern, das nun als Ferienwohnung dient. Sie hausen im Stall, der liebevoll zum „Schlafen im Stroh“ hergerichtet wurde – oder im Tipi am Waldrand, wo Levana mit ihrer Familie und Freunden genächtigt hat.

So erleben auch wir Eltern mal wieder, wie sich ein Sonnenaufgang mitten in der Natur anfühlt: Wie in der Stille nur ab und an das Krächzen einer Krähe zu vernehmen ist, ein fernes Leuten von Kuhglocken. Wie die Sonne erste Schattenmuster über die Wellentäler der Felder zeichnet und die erdige Kühle des frühen Morgens vertreibt. Unter einem dahin schwindenden Mond steigt am Horizont ein Heissluftballon in die Höhe und an der erkalteten Feuerstelle schauen sich erste Wespen nach Überresten des Grillabends um. Diese Ruhe! Dieser Zauber des jungen Tages, der stärker wirkt, als jede Müdigkeit, die einem noch im Schlafsack halten möchte. Und so geht‘s auf in einen neuen, langen Ferientag! In die hügelige Weite des Diegenstals – fern ab von Tablet und TV.

Man könnte nun auf Camper-Romantik machen, ein Feuer entfachen und mit einem Blechtopf Kaffee kochen, aber wozu auch, wo doch zweihundert Meter nebenan im gemütlichen Schöpfli des Hofes ein Frühstücksbuffet lockt?! Es duftet dort nach Cappuccino und frischem Brot aus dem hofeigenem Urdinkelmehl. Auf dem Buffet warten Eier, Konfitüren und Highlander-Trockenfleisch – alles hauseigene Produkte – sowie Käse, Yoghurt und Milch von der Bio-Käserei im nahe gelegenen Sempach.

Durchs offene Fenster hören wir einige Wollschweine grunzen, im Nebenraum duschen sich unsere Teenager den Lagerfeuergeruch aus den Haaren. Sorgfältig geschminkt erscheinen sie zum Frühstück – so schnell vollzieht sich der Wandel von der Wildnis beim Tipi zurück in die Zivilisation! „Hunger!“, ruft die 11-jährige Melissa, eine Freundin unserer Töchter. Levana stimmt bei:„Jetz wotti aber ässä!“. Und eine Meute kleiner Menschen mit grossem Appetit plündert das Buffet.

Eigentlich gilt das Ferien- und Gastro-Angebot von „Bauer Fritz“, wie sich der Betrieb nennt, als „landwirtschaftlicher Nebenerwerb“, erklärt uns Fritz Neuenschwander. Dabei erfordert die Arbeit, die er, seine Frau Janine sowie zwei Vollzeit- und diversen Teilzeitmitarbeitern leisten, intensive Ganztageseinsätze und gelegentliche Nachtschichten – vor allem in den Sommermonaten.  Denn die Neuenschwanders bieten nebst Ferien auch Feiern auf dem Bauerhof an.

„Nebenbei“ betreiben sie auch noch ihren Bio-Bauernhof: Auf zwanzig Hektaren Land kultivieren sie Getreide wie Urdinkel und Einkorn sowie Öl- und Schnittsonnenblumen, deren Öl sie direkt auf dem Hof selber pressen. Ausserdem halten sie rund 25 Highland Cattles. Das sind zottelige, genügsame schottische Hochlandrinder mit grossen Hörnern, die zu Frischfleisch, Trockenfleisch und Würsten verarbeitet werden. Die anderen Nutztiere auf dem Hof werden indes nicht geschlachtet, sie sind einfach so da – zur Freude der Gäste. Die beiden Wollschweine Pespi und Fanta sind handzahm, aber unsere Kinder haben Schiss vor den dunkelhaarigen Pro-Specie-Rara-Viechern. Lieber tränken sie die Esel. Sie herzen die Hasen, amüsieren sich ob der Ziegen, die alle herbei rennen, weil die Kinder ihnen Löwenzahn verfüttern. Im grosszügigen Gehege der Legehennen dürfen sie die Eier der Appenzeller Spitzhaubenhühner aus den Nestern holen.

Levana lernt dabei, dass sie einem Missverständnis erlegen war: Glücklicherweise müssen die Hennen nicht „blüäte“, wie sie erst falsch verstanden hatte, sondern „brüäte“ und so sind die Eier denn auch nicht mit Blut befleckt. Levana ist erleichtert. Ein Zwerghahn sorgt jetzt für Gaudi: Der Winzling, nur halb so gross wie die Hühner gebärdet er wie ein Macho, stolziert laut gackernd herum, wähnt sich als Herrscher im Hühnerreich – dabei , so lachen Kinder „müssten die doch ihn beschützen!“ Die Mädchen kugeln sich vor Lachen.  Derweil sitzen die Teenager gemütlich in der Morgensonne und streicheln George,  den Gemütsmocken des Hofes: Der Berner Sennenhund ist so was von „voll häärzig“ befinden sie.

Bäuerin Janine hat uns schon im Vorfeld prophezeit, dass sich unsere Kinder hier selber beschäftigen würden. Ganz bewusst bietet sie auf dem Hof keine Animationsprogramme im Stil von Pfeilbogenschiessen oder Tierprogramme wie Eselreiten an. „Die heutigen Kinder ersticken an einem Überangebot an Stimulation. Sie freuen sich, wenn sie einfach mal Raum bekommen, um sich selbst organisieren dürfen“, weiss die fünffache Mutter aus Erfahrung. „Wer bei uns Ferien macht, nutzt die Möglichkeiten des Hofes, den Wald und den Kontakt zu den Tieren“, erzählt sie, „manche Kinder veranstalten Schnitzeljagden oder machen Wald-Art. Sie haben Spass daran, Holz fürs Feuer zu sammeln. Hier finden sie immer was zum spielen.“

Die Neuenschwanders bieten auf ihrem Hof genug Raum dazu. Ausserdem haben sie ein grosses Trampolin und ein Holzspielplatz mit Sandkasten aufgestellt. Den Gästen stehen auch ein Swimmingpool sowie zahlreiche Spieltraktoren zur Verfügung. So muss man sich für einmal nicht um genervte Nachbarn sorgen, kann seine Familie entspannt am Pool quietschen, juchzen und herumspritzen lassen. Später, als wir uns wieder beim Tipi einfinden, spielt die Kinderschar lautstark Räuber und Poli, trommelt nach Herzenslust und trötet „guli guli ram sam sam“. Freiheit ist, wenn man herum johlen, lustvoll im Teig fürs Schlangenbrot kneten  und sich schmutzig machen darf. Mit einem letzten Kraftschub veranstalten die Kinder eine Schlafsack-Mumien-Schlacht im Zelt, in dem bis zu 16 wilde Kerle Platz zum Schlafen finden könnten – aber daran wollen die Mumien noch lange nicht denken.

Erst als das Grillgut auf dem Lagerfreuer brutzelt, die Grillen zirpen und eine Gitarre die Regie übernimmt, ermatten die Kinder. Es riecht nach gebratenem Halloumi und Würstchen, später nach gebrannten Schokoladen-Bananen. Wir lauschen in die Nacht, schauen fern – in die Glut des Feuers. Eine Fledermaus flattert am Tipi vorbei. Die 10-jährige Luana lindert einen Insektenstich mit dem Saft von frischem Spitzwegerich. Für einmal ist sogar das Zähneputzen ein Erlebnis: Es geschieht unter dem freien Sternenhimmel und ausgespuckt wird ins Gras. Da und dort krabbelt schliesslich ein erschöpftes Wesen in einen Schlafsack. Levana hat sich zuvor vergewissert, dass „ihr“ Traktor richtig geparkt ist – damit er morgens zur Stelle ist und sie nichts, aber gar nichts verpassen wird.   

 

Weitere Infos

Badeplausch und Radioweg: Bauer Fritz und seine Ausflüge
Der Hof von „Bauer Fritz“ (www.bauer-fritz.ch) in Gunzwil LU eignet sich als Ausgangspunkt für viele Wanderungen und Ausflüge in der Gegend. Sein Nachbarort Beromünster wartet im Sommer mit einem idyllischen Freibad auf und hat auf seinem Radio-Weg viel Unterhaltsames über das einstige Radio Beromünster zu erzählen. Als Geheimtipp gilt sein kinderfreundliches Kunstmuseum KKLB (www.kklb.ch), das im ehemaligen Sendegebäude von Radio Beromünster zeitgenössische Kunst zeigt. Tolle Bademöglichkeiten bietet der nahe gelegene Hallwyler- und der Sempachersee. Ebenso lohnt ein Ausflug zum Erlebnis-Familienpark „Schongiland“ (www.schongiland.ch) in Schongau. Doppelzimmer inkl. Frühstück bei Bauer Fritz ab Fr. 60.- pro Erwachsener und Fr. 40.- pro Kind. Übernachten im Tipi inkl. Frühstück Fr. 40.- pro Erwachsener und Fr. 30.- pro Kind.


Stroh statt Strand: Passende Bauernhöfe für jeden Geschmack
Anbieter für Bauernhofferien gibt es in allen Regionen der Schweiz mit unterschiedlichstem Komfort. Man kann ganz simpel im Stroh oder Tipi schlafen, muss aber nicht. Wer‘s bequemer mag, der bucht ein Zimmer, Stöckli oder Gruppenhaus auf einem Bauernhof. Tessin-Liebhaber finden auch echte Grotti bis hin ins hinterste Tal. Und auf Romantiker warten Weingüter in der Westschweiz. Die Dachorganisation Agrotourimus Schweiz (www.agrotourismus.ch) sorgt mit ihrem Label „Ferien auf dem Bauernhof“ für ein transparentes Qualitätsprofil. Schweiz Tourismus, als Partner von Agroturismus, führt die Anbieter hier auf: http://farm.myswitzerland.com/

Ausgewählte Tipps
  • Zentralschweiz: Bauernhofidylle mit einem Hauch Luxus
    Zwei Kilometer vom familienfreundlichem Ski- und Wandergebiet Sörenberg LU entfernt, liegt mitten in einem der schönsten Schweizer Moorbiotope der Birkenhof (http://birkenhof.ch), ein Erlebnishof mit Spielplatz und Streichelzoo. Die Betreiber vermieten rollstuhlgängige Ferienwohnungen im Bauernhaus sowie ein Gruppenhaus. Sie kultivieren Beeren, halten Mutterkühe und Mastschweine und betreiben einen Hofladen. Ferienwohnung ab Fr. 80.- pro Tag exkl. Endreinigung.
  • Tessin: Rückzug in ein gemütliches Tessiner Rustico
    Im Verzasca-Tal bei Lavertezza befindet sich das Agriturismo "La Ghironda" (www.laghironda.ch). Es bietet ganzjährig Unterkunft im Rustico bei Rancone für zwei Personen, ab Fr. 65.- exkl. Reinigung. Im höher gelegenen Frasco kann man im Juli und August auch in einem Alpgebäude bis zu 15 Personen unterbringen. Schlaflatz inkl. Frühstück für Erwachsene Fr. 25.-, für Kinder 20.- Dieses Haus ist nur zu Fuss erreichbar ist. Die Betreiber halten Ziegen, Schafe und Schweine, verkaufen hofeigene Produkte und betreiben auch Ferienkurse für Kinder. Sie sind für "Schule auf dem Bauerhof" zertifiziert.
  • Westschweiz: Viel Raum für Sportler, Spieler und Camper
    In Orges, VD, nur sechs Kilometer vom Neuenburgersee entfernt, liegt mitten im Grünen der Bauernhof „Bois du Fey“ (www.vacances-a-la-ferme.com). Er bietet Schlafen im Stroh ab Fr. 25.- für Erwachsene und Fr. 18.- für Kinder inkl. Frühstück sowie Campingmöglichkeit ab Fr. 8.- pro Zelt, 6.- pro Erwachsenen und 4.50 pro Kind. Auf dem Hof sind viele Spiele vorhanden. Es können Pedal-Gokarts gemietet werden. In der Region gibt es Wandermöglichkeiten, eine schöne Schlucht, den See mit Sandstrand, Schlösser und Thermalbäder.
  • Graubünden: Natur pur im abgelegenen Safiental
    Der Hof „Unterhuus“ (www.hof-unterhus.ch) ist ein alleinstehender Bio-Bergbauernhof an ruhiger Lage in Tenna GR (ja, das ist der Ort mit der ersten Solarskilift der Welt!). Im alten Walserholzhaus kann man ab Fr. 80.- für zwei Personen eine gemütliche, moderne Ferienwohnung mieten (exkl. Endreinigung). Auf dem Bio-Betrieb leben Mutterkühe mit ihren Jungen, Yaks, Zwergziehen, Hasen, Hühner und natürlich einige Katzen. Ums Haus herum ist viel Platz für Kinder zum Spielen.
  • Bodensee-Region: Auspannen mit See- und Bergblick.
    Der Bauernhof Tschannen (www.hof-tschannen.ch) in Illighausen, TG, ist ein gepflegter Hof an ruhiger Lage im Grünen und bietet Aussicht auf den Bodensee. Hier leben Kühe, Hasen, Hühner und auch Pferde. Die Bauernfamilie betreibt den Hof in der dritten Generation mit Nutztierhaltung, Acker- und Futterbau. Sie bietet Doppel – und Mehrbettzimmer, Schlafen im Stroh, Platz für Zelte und viele Spielmöglichkeiten. Im Stroh Fr. 30.- pro Erwachsenen inkl. Frühstück, Fr. 15 für Kinder bis 10 Jahre. Im Mehrbettzimmer Fr. 35 pro Erwachsenen inkl. Frühstück, Fr. 20.- für Kinder bis 10 Jahre.

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