Leseproben und Projektbeschriebe

Die Sonnenstube im Urnerland

Familiär und überschaubar: Im Skigebiet Biel-Kinzig im Schächental können Kinder und Erwachsene Winterfreuden frönen und im Nu den Alltag hinter sich lassen.

Einen Meter über der Talstation Bürglen kündigt sich die Entspannung an. Das Gondeli hat abgehoben. Wir sind im Urnerland, dem «Eldorado der Luftseilbahnen», ruckeln los, raus aus Grau und Hochnebel. In der halben Stunde zuvor: Voll bepackte Autos ausladen, genervt über die Schneelage diskutieren: Lohnt es sich überhaupt, Skis mitzuschleppen? Was für eine Schneesicherheit darf man erwarten von einem Skigebiet, das zwischen 1500 – 2000 Metern über Meer liegt? Vier Kinder hibbeln herum.

Oben angekommen, auf 1634 Meter über Meer: Erleichterung darüber, dass genug Schnee liegt. Direkt neben der Bergstation der Luftseilbahn Biel-Kinzig ziehen wir ins Berggasthaus Biel ein. Die Schlafräume sind zweckmässig, ordentlich eingerichtet – mit dem funktionalen Charme eines Lagerhauses. Oben im Stübli des Restaurants sitzen wir schon bald vor dampfenden Suppen. Unsere Gastgeber Yves Nopphadol Sawangarom und Peter Attenhofer bieten beides: Gutbürgerlicher Schweizer Küche und echte Thai-Gerichte. Saeangarom ist Thailänder und kocht authentisch: Seine scharfen Gerichte, dekoriert mit essbaren Orchideen, geniessen wir mit Schweissperlen auf der Stirn. Seltsam mutet das Thai-Essen mitten in der mit Holz verkleideten, gemütlichen Stube an, aber hier darf das sein, und es ist stimmig. Peter Attenhofer ist vor acht Jahren aus Zürich ins Schächental gezogen. Nur rund 50 Einwohner habe es hier in Biel Kinzig, alle weit herum verteilt am flachen Hang, erzählt er, aber man halte zusammen, alle seien hier «wie eine Familie».

Wo immer ein Ort nicht mit Auto erreichbar ist und mit dem letzten Gondeli Ruhe auf dem Berg einkehrt, ist diese Stimmung von Abgeschiedenheit und Zusammenhalt spürbar. So auch hier. Attenhofer sagt, Familien mit kleinen Kindern machten hier gerne Ferien, weil das Skigebiet klein, günstig und übersichtlich sei. Er schenkt uns ausgewählten Wein ein, den er, wie alle seine Weine persönlich beim Winzer ausgesucht hat. Wir lehnen uns zurück, lassen Gedanken an Arbeit und Angespanntheit zurück. Die Kinder am Nebentisch kichern, spielen Karten – weit und breit ist kein elektronisches Gerät zu sehen.

Am nächsten Morgen herrscht Freude über ein leckeres Frühstücksbuffet und Uneinigkeit über das Tagesprogramm: Die einen wollen Skifahren, die anderen gemütlich ein Buch lesen, die nächsten hätten Lust, die Gegend mit Schneeschuhen zu erkunden. Kein Problem: Die Kinder können in diesem Gebiet gut auch ohne Erwachsene Ski fahren. Die Pisten sind einfach und verloren gehen kann hier keines. Da es weit und breit keine Autos hat, fällt auch diese Gefahr weg. Die Kinder flitzen ohne Erwachsenenbegleitung die Hänge herunter. Mit dem Buch in der Hand, gemütlich von der Sonnenterrasse aus, lässt sich ihr Treiben auf der blauen Piste beobachten.

Tags darauf ziehen wir zu Fuss los. Noch herrscht strahlendes Winterwetter. «Nur ein Stündchen» soll unsere Schneewanderung bis zum Alpstübli Selez dauern, wo wir einkehren wollen. Aber unsere Kleinsten kommen nur langsam durch den Schnee voran – und bald schon ist unser ganzer Proviant aufgegessen. Wir sind umrundet vom phantastischen Panorama der Urner Alpen. Ein Bauer führt seine Kuhherde an uns vorbei zum nächsten Stall. Das Strohlager im vorherigen Stall haben sie aufgefressen. Unsere Stadtkinder sind davon fasziniert, wie die Kühe sich durch den Schnee mühen und die Jungtiere zu kämpfen haben. Die Alpwirtschaft spielt hier noch eine wichtige Rolle. Später werden wir über den Zusammenhalt und das Leben der Urner Bergbauern einen Dokumentarfilm schauen, den uns Attenhofer in seiner Gaststube vorführt – voll gemütlich. Nun aber zieht Nebel auf, es fängt an zu schneien. Wo ist unser Weg? Wir merken: Jetzt sind wir wirklich am Berg. Es fühlt sich «ernst» an. Die Kinder murren, fallen oft hin, werden immer nässer.

Im haltlosen Weiss des Schneetreibens gilt es, einen Weg zu finden, die müden, nun hungrigen und frierenden Kinder anzutreiben. «Auf! Bald haben wir’s geschafft…!» Gefühlte Stunden später torkeln wir tatsächlich ins Alpstübli Selez, in die Wärme! Noch nie ist uns ein Drei-Kilometer-Marsch so lange vorgekommen. Die Kinder bekommen heisse Würstli, ihre Backen glühen rot, sie fühlen sich wie Helden. Später, im Ferienheim, jubeln sie sogar über eine warme Dusche, schlurfen hernach zufrieden im Trainer herum und fallen schliesslich ermattet in ihre Betten – stolz auf ihre ungewohnte Leistung. Kaum zu glauben, dass wir alle in nur 24 Stunden den Alltag so rasch hinter uns gelassen haben. 

 

Info-Box: Ins Schächental gondeln

Das sehr sonnige, obere Schächental ist im Winter nur via Luftseilbahn erreichbar. Es verspricht Stille und Erholung und eignet sich für ein Ski-Weekend in der Nähe. Man kann auf den Höhenwegen auch entspannt wandern und geniesst dabei eine grossartige Aussicht auf die Urner Alpen. Das Berggasthaus Biel organisiert auch Vollmondwanderungen mit Schneeschuhen.

Anfahrt nach Biel-Kinzig: Die Talstation der Luftseilbahn Biel Kinzig liegt in Brügg, Bürglen UR. Anfahrt per Bahn oder Schiff nach Flüelen, dort weiter via Postauto oder Linienbus zur Talstation und per Gondeli nach Biel. Mit Auto: Vom Norden her via Axenstrasse Richtung Klausenpass oder via A2 (Luzern-Gotthard), Ausfahrt Flüelen, Richtung Klausenpass. Vom Süden her via A2, Ausfahrt Erstfeld. Die Parkplätze der Biel-Kinzig AG sind gebührenfrei. Mehr Infos und Videos von Skipisten: www.biel-kinzigag.ch, www.berggasthaus-biel.ch, http://www.uri.info/de/seilbahn-eldorado/bielkinzig

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