Leseproben und Projektbeschriebe

Schweizer News für National Geographic

Neues aus der Schweiz: Gabriela Bonin lieferte der deutschen Ausgabe des renommierten Magazines National Geografic in Hamburg in den Jahren 2000/2001 jeweils News aus der Schweiz.

* Seltene Brut
Nackt, schwarz, wie kleine Drachen hockten sie diesen Sommer da: fünf frisch geschlüpfte Kormorane am Berner Neuenburgersee. Vogelkundler, die die zwei Kormoranfamilien entdeckt hatten, waren völlig überrascht: Erstmals seit sehr langer Zeit brüten Kormorane also auch wieder in der Schweiz. Sie erhöhen damit die Zahl der hiesigen Brutvogelarten auf 216. Seltsamerweise brüteten die Zuzüger auf dem Boden anstatt ihre Nester wie unter Kormoranen üblich auf den Bäumen zu bauen. Geschadet hats den Jungtieren nicht. Mittlerweile sind sie flügge und tummeln sich unter den rund 4000 Artgenossen, die die Schweiz jedes Jahr als Wintergastland nutzen. Schon ist man hier gespannt, ob im kommenden April weitere Kormorane nisten werden.

* Gefrorenes Archiv
Gletscher dienen als Archive der Luftverschmutzung. Um Erkenntnisse über Umweltschäden in Sibirien zu gewinnen, hat diesen Sommer ein schweizerisch-russisches Forschungsteam dem Belukha-Gletscher im sibirischen Altai-Gebirge 900 Kilo Eis entnommen. Die Expedition geriet wegen schlechter Witterung zum Abenteuer: Schneestürme und Gewitter drohten, die Zelte auf 4000 Meter Höhe fortzublasen. Die Forscher konnten die Eiskerne mit grossen logistischen Aufwand dennoch bergen und in die Schweiz transportieren: "Der Einsatz unserer russischen Kollegen war beeindruckend, die Zusammerbeit der Teams hervorragend", so Expeditionsleitern Margit Schwikowski. Derzeit werden die Eisstangen am Paul Scherrer Institut in Fünf-Zentimeter-Segmente geschnitten, geschmolzen unnd analysiert. Erste Erkenntnisse erwartet man in einem Jahr. "Wir haben 139 Meter tief gebohrt und hoffen, dass wir bis zu 200 Jahre Geschichte abdecken können", so Schwikowski. Die Gegend um den Gletscher ist berüchtigt für enorme Umweltverschmutzungen aus der Sowjetzeit. Bis vor wenigen Jahren wurde im sibirischen Altai die grösste Quecksilbermine der Welt betrieben.

* Ein Leben für das perfekte Pommes
Lebensmittelwissenschafter Felix Escher von der Eidgenössisch Technischen Hochschule ETH in Zürich erforscht seit rund 13 Jahren das Pommes Frites und seine anderen frittierten Kumpanen wie etwa das Pommes Chip oder das Fischstäbchen. "Das mag für Laien abgedroschen und langweilig tönen, dennoch ist es wichtig, gewisse Aspekte des Frittierens genau zu erforschen, etwa die Fettsäureveränderung im Langzeiteffekt oder die Toxikologie des Fritieröls", erklärt Professor Fischer, "schliesslich sind Pommes auf der ganzen Welt ein oft konsumiertes Lebensmittel". Mittlerweile dürfen alle Pommes-Fans aufatmen, denn die Forschung konnte bereits beweisen, dass die Fritten gesünder sind als ihr Ruf: "Pommes Frites enthalten zwar viele Kalorien, aber dafür auch viele wertvolle Nährstoffe. Sie sind aus ernährungsphysiologischer Sicht ein ausgezeichnetes Produkt.", so Fischer "Uns ist mittlerweise der Beweis gelungen, dass Convenience Food nicht ungesund sein muss." Doch das ist Fischer und den weltweit rund 200 Fritten-Forschern nicht genug. Nun wartet er auf einen millionenschweren Forschungskredit der Europäischen Union. Kommt der Geldsegen aus Brüssel, dann werden europaweit 15 Forschungsteams sich einem der grossen Knackpunkte widmen, nämlich der Frage, wie sich die Struktur der Kartoffelstärke beim Frittieren verändert. Das Interesse an der Optimierung des begehrten Snacks ist gross, so Fischer: "Die Industrie wartet auf neue Resultate. Das Pommes Frites ist aber auch aus agronomischer und ökologischer Sicht ein wertvolles Lebensmittel, da die Kartoffel ein sehr schonendes, ertragsreiches und einfaches Landwirtschaftsprodukt ist."

* Faszination Museum: Technorama in Winterthur
Nur dank "herumprobieren" habe er es zu seiner nobelpreisgekrönten Entdeckung gebracht, erklärte einst der amerikanische Nobelpreisträger für Physik Richard Feynman. Und was der durfte, dürfen heute jährlich rund eine Viertel Million Besucher des Schweizer Technoramas in Winterthur: Tüfteln und ausprobieren – denn in diesem in Europa einzigartig umfassenden Science Center glt nicht das museale "berühren verboten" sondern ein spielerisches "Anfassen erwünscht": An 500 interaktiven Exponaten erleben die Besucher Phänomene aus Naturwissenschaft und Technik , etwa die "Windlandschaften", wo man Dünenlandschaften gestalten kann und dabei sieht, wie sich der Sand in der Wüste verhält, oder die "Farbigen Schatten" (Schatten müssen nicht immer schwarz sein…) oder eine "Pendelreihe", die zunächst völlig aus dem Takt gerät, um auf fast magische Weise zu geordnetem Hin und Her zurückfindet. Eine flüchtige Berührung nur – und schon kann man in einer Glaskugel ein Blitzgewitter gespenstiger Plasma-Kaskaden auslösen und dabei erfahren, wie ein Gemisch von Edelgasen unter hoher elektrischer Spannung diesen Vorgang erzeugt. Ab März 2001 bis Jahresende veranschaulichen 30 Exponate in einer Sonderausstellung Phänomene von Magnetismus und Elektromagnetismus: damit der Mensch ein wenig mehr sverstehe, welch sonderbare Kräfte zwischen Himmel und Erde wirken.

* Faszination Musem: Medizinhistorisches Museum Zürich
In den Räumen, in denen Albert Einstein einst an seiner Relativitätstheorie feilte, präsentiert sich heute das Medizinhistorische Museum Zürichs, unter anderem mit medizinischen Geräten, die zu Einsteins Zeiten noch gang und gäbe waren: So ist an der Rämistrasse im Zürcher Universitätsviertel etwa die komplette Praxis eines Allgemeinarztes von 1890 zu bestaunen – ein durchwegs angenehmer Anblick. Geht der Besucher indes weiter in der Zeitgeschichte zurück, so wird das Museum zunehmend zum Gruselkabinett: Ketten, Zwangsjacke und Deckelbad, die bis im 18. Jahrhundert bei psychisch Kranken eingesetzt wurden, lassen den Besucher schaudern; die dramatische Darstellung eines lebensechten, in schwarzes Tuch gehüllten Pestarztes neben einem Sarg und ausgestopften Ratten versetzen einem in Zeiten abgrundtiefen Elends. Ebenso bedrückend sind die Abbildungen der Lepra, Syphilis oder der Pocken: da sieht man faulende, eiternde Körperteile, Bettelschalen, leidende Menschen, dazu aber auch Pockenimpflanzetten und alte Impfausweise. Hat man erst mal die Amputationssäge aus dem 16. Jahrhundert, die Sammlung von Augenprothesen von 1880 oder den zahnärztlichen Behandlungsstuhl von 1890 hinter sich gebracht, ist man dankbar, seine Gebrechen in der heutigen Zeit behandeln lassen zu dürfen.
Die Zeitreise des medizinhistorischen Museums geht zurück bis zu den frühesten Heilverfahren verschiedenster Naturvölker und zeigt prähistorische Knochenfunde, an denen Krankheiten der damaligen Menschen erkennbar sind. Auch die Medizin der frühen Hochkulturen wird vermittelt: anhand von Instrumenten, Darstellungen und Plastiken aus Mesopotanien, Ägypten und aus dem Inkareich. Man erfährt, dass Krankheiten, seit dem 7. Jahrhundert vor Christus nicht mehr nur als übernatürliche Erscheinung aufgefasst wurden. In der Zeit Hippokrates (460-377 v. Chr.) setzten sich erstmals wissenschaftlich und handwerklich ausgebildete Fachmänner sich mit der Heilkunst auseinander.
Alle grossen Erkenntnisse und Erfindungen der Medizingeschichte sind dargestellt: So etwa die Entdeckungen des Blutkreislaufes (William Harvey, 1628), die Erfindung des Mikroskopes (um 17. Jhr.) oder all die Neuerungen des 19. Jahrhunderts wie beispielsweise die verschiedenen Techniken der Anästhesie sowie die Endeckungen der Röntgenstrahlen (Wilhelm Conrad Röntgen, 1895) und schliesslich die Forschungsergebnisse des 20. Jahrhunderts: Die erstmalige Bestrahlung von Krebspatienten durch radioaktive Elemente (1901), die ersten Schluckimpfungen gegen Kinderlähmung (1960) und die Entdeckung des Aids-Viruses (1983). In einer Sonderausstellung vom 11. Mai bis etwa Ende August 2001 sind unter dem Titel "Conserving" anatomische Kunstfotografien zu bestaunen: ästhetisierte Bilder von Körperteilen in Formaldehydlösungen – das Gruseln geht weiter. Immhin: bekanntlich ist ja alles relativ.

* Faszination Musem: "Verkehrshaus der Schweiz"
Im Sommer 1969, als Neil Armstrong und Edwin Eugene Aldrin erstmals den Mond betraten, liessen sich auch die Schweizer durch einen Himmelsimulator erstmals in den Kosmos entführen. Denn zwanzig Tage vor der Mondlandung hatte das Planetarium des Verkehrshauses Luzern seine Tore geöffnet. Seither haben sich dort sieben Millionen Besucher in die Sternenwelt einführen lassen und haben dabei mühelos den Mond, den Mars oder das Innere des Orion-Nebels besucht. Nun soll alles noch "echter" werden: Die Kuppel des Planetariums wird ab Sommer 2001 mittels modernster Video-Technik ein 500 Quadratmeter grosses, animiertes Himmelszelt wiedergeben und die alten Diaprojektionen ersetzen. Die Reise in den Kosmos wird so noch erfahrbarer, noch eindrücklicher.
Erlebbarkeit und Multimedialität sind denn auch die Stärken des gesamten Verkehrshauses: Denn neben den klassischen Musseumsstücken aus der Geschichte des Schweizer Verkehrs (Pferdekutschen, Strassenbahnen, Oltimers, Flugzeuge, Schiffsmodelle), stehen zahlreiche Simulatoren oder reale Geräte bereit, in denen sich die Besucher beispielsweise als Lokomitivführer, Piloten, Kapitäne oder Astronauten betätigen können. Faszinierend ist auch die Gotthardtunnelschau, bei der man mit der Werkbahn in den Tunnel fährt und dessen Bau aus der Sicht der Arbeiter hautnah erlebt. Die Rekonstuktion der damaligen Verhältnisse ist liebevoll gestaltet und lässt erkennen, welch wichtige verkehrspolitische Rolle die Gotthardroute als Knotenpunkt Europas einnahm: Erst durch den Tunnel wurden effiziente Handelswege zwischen Nord und Süd möglich. Ebenso erfährt man, dass der alpine Tourismus erst durch die Rigi-Bahn Bedeutung erlangte. 1871 war sie die erste Zahnradbahn Europas.
Zur Geschichte des Verkehrs gesellt sich der Rückblick auf das schweizerische Kommunikationswesen: Vom Morseapparat bis zum Bildtelefon kann auch hier alles selbst ausprobiert werden. Eines der Highlights ist das vollständig eingerichtete Radiostudio, in dem der Besucher eine Sendung oder ein Kurzhörspiel gestalten kann.
So wird bald klar: Wer das ganze Museum geniesssen will, muss mehr als einen Tag einberechnen oder etappenweise vorgehen. Schliesslich ist dem Verkehrshaus auch noch das Hans Erni Museum mit über 300 Originalwerken des bedeutenden Schweizer Künstlers angeschlossen. Auch der Besuch des angegliederten IMAX-Kinos ist für sich allein ein Erlebnis: Auf einer 19 x 25 Meter grossen Bildwand präsentiert das Verkehrshaus Filme aus Natur, Tierwelt unnd Wissenschaft. Anfang März startet beispielsweise ein Film über den Amazonas.
Besucher aus dem Ausland sollten es zudem nicht verpassen, mit dem Ballon HIFLYER in den Himmel zu steigen: Der am Boden verankerte, mit Helium gefüllte Fesselballon fährt bis auf 150 Meter Höhe und erlaubt von dort aus eine herrliche Rundsicht auf einige Highlights des Schweizer Tourismus: Auf die Stadt Luzern, den Vierwaldstättersee und das Alpenpanorama der Zentralschweiz – "echter" kann die Vogelschau gar nicht sein.

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