Leseproben und Projektbeschriebe

Unterwegs mit Prinz Sadruddin Aga Khan

Sein Name klingt nach 1001 Nacht. Ist er wirklich ein Prinz? Begegnung in Paris anlässlich einer Kosmetik-Promotour – mit Öko-Absichten.

Hinweis: Das Porträt und Interview wurde einige Jahre vor seinem Ableben geschrieben. Der ehemalige UN-Flüchtlingskommissar verstarb 2003 in Boston.
 
Es heisst, er sei steinreich und lebe in einem Genfer Schloss. Ein orientalischer Prinz sei er, der die Pflänzlein in den Alpen schützen wolle. "Aber was soll's", spottet eine Journalistin, letztlich sei er ja "bloss der Bruder eines Sektenführers". Alles lacht. Man befindet sich im teuersten Hotel von Paris und erwartet für den nächsten Morgen die Pressekonferenz von Prinz Sadruddin Aga Khan, dem Präsidenten der Schweizer Umweltschutzorganisation "Alp Action". Zusammen mit Christian Courtin-Clarins, dem Präsidenten des französischen Kosmetikkonzerns Clarins, will er über ein gemeinsames Projekt informieren: die Rettung gefährdeter Schmetterlinge in den Alpen.

Bevor Politiker und Wirtschaftsmanager die zunehmenden Umweltschäden überhaupt wahrgenommen hatten, war Sadruddin Aga Khan bereits ein aktiver Grüner: Schon Mitte der siebziger Jahre bekämpfte er die Atomenergie, gründete die Stiftung Bellerive, aus der 1990 "Alp Action" hervorging – eine Stiftung zum Schutz der Alpen.

Der Prinz ist nicht Bruder, sondern Onkel von Karim Aga Khan, dem religiösen Oberhaupt der Ismaeliten. Dieser islamisch-schiitischen Glaubensgemeinschaft gehören heute rund zwanzig Millionen Gläubige an. Während sich Karim als Entwicklungshelfer und Grossunternehmer international einen Namen gemacht hat, ist Sadruddin als ehemaliger Uno-Flüchtlingshochkommissar und aktiver Umweltschützer bekannt.

Noch bekommen die Journalistinnen in Paris seine Exzellenz indes nicht zu sehen. Noch ist auch nicht die Rede von aussterbenden Tier- und Pflanzenarten. Vorderhand spricht man über absterbende Hautzellen. Tags darauf ist Pressekonferenz im edelsten Restaurant des Stadtparks Bois de Boulogne. Auf dem Podium sitzt der Prinz, ernst, beinahe unbeweglich. Christian Courtin-Clarins erklärt, dass seine Produkte auf pflanzlicher Basis hergestellt seien. Er nehme den Umweltschutz ernst und schätze sich glücklich, sich an einem weiteren Projekt von "Alp Action" beteiligen zu können.

Schon 1992 hatte der Konzern 12 000 Quadratmeter Magerwiese im waadtländischen Antagnes erstanden. Denn mit dem zunehmenden Verlust an Biotopen sind gemäss "Alp Action" bereits über die Hälfte der alpinen Schmetterlinge verschwunden. Im Reservat können die verbleibenden Falter geschützt werden – und mit ihnen andere bedrohte Insekten, Blumen und Vögel. Ein zweites Reservat hat Clarins nun diesen Frühling in Halblech, Bayern, finanziert.

Über 120 Projekte konnte "Alp Action" in Zusammenarbeit mit dreissig Partnern aus dem Privatsektor realisieren: Flora, Fauna, Landwirtschaft, traditionelles Handwerk und ökologische Landschaften wurden so geschützt. Doch unermüdlich warnt der Prinz vor den ständig neu entstehenden Schäden.

"Für immer" gingen Tier- und Pflanzenarten verloren, sagt nun Sadruddin Aga Khan in seiner Rede, "täglich sterben weltweit rund fünfzig Arten aus". Dies müsse man stoppen; jeder sei dafür mitverantwortlich, so der Prinz. Ruhig spricht er, und doch schwingt Sorge und Dringlichkeit in seiner Rede mit.

Beim Essen werden die Medienleute mit dem Thema Umwelt verschont
Sein Publikum schlürft Kaffee, tuschelt mit den Tischnachbarn, löffelt im Fruchtsalat und klatscht schliesslich müde. Fragen? Nein, keine. Dann aber folgt ein Vortrag über "Die Haut und die Umweltverschmutzung"; eine Dermatologin spricht über "Freie Radikale" und Hautirritationen. Besorgte Gesichter, rasende Kugelschreiber. Anschliessend angeregte Diskussionen über schützende Gesichtscrèmes.

Sadruddin Aga Khan, so erfährt man später beim Einzelinterview, hat solche Salben nie verwendet. Er versteht indes die Hautsorgen der anwesenden Damen. Es gehe ja nicht allein um die Schönheit, so der Prinz, sondern einmal mehr um die Umwelt, um die verschmutzte Luft, die eben nicht bloss die Lunge, sondern auch die Haut angreife.
Danach Schlemmerei mit den Firmendirektoren. Gänseleber, Edelweine, Konfekt. Christian Courtin-Clarins fordert seine Tischnachbarinnen zum Schnuppern auf: An seinem Hals duftet die neueste Hauskreation, ein Männerparfüm, das der Rest der Welt erst im September riechen darf. Er schwärmt von seinem Weinkeller, von schönen Frauen. Mit dem Thema Ökologie verschont er die Runde. Nur von den Schmetterlingen ist kurz die Rede: Eine Direktorin wünscht sich, dass ihre Firma das Schmetterlingslogo als Symbol ihres Umweltengagements prominenter auf den Produkten plazieren möge. Der Prinz? Der ist bereits abgeflogen. Man sagt, er esse nur spartanisch.

Tags darauf in Bern. Weiss bemützte Bäcker verschenken frische Brotschnitten an die Passanten auf dem Waisenhausplatz: eine Werbeaktion der Schweizer Bäcker. Das Volk klatscht und johlt fröhlich. In einem Festzelt spricht Sadruddin Aga Khan über Getreidesorten, die aussterben. Zusammen mit dem Schweizerischen Bäckermeisterverband liess er letztes Jahr in Blatten VS einen der ältesten Dorfbacköfen der Schweiz restaurieren. Ein weiteres Projekt ist derzeit im Entstehen begriffen: "Alp Action" will ein "Alpenbrot" lancieren, bestehend aus bedrohten Schweizer Getreidesorten. Mit einem Teil des Erlöses sollen die seltenen Gräser geschützt werden.

Der Prinz, gestern noch distanziert und vornehm wirkend, greift nun lachend zum Käsemesser, stellt sich neben den Sänger Peter Reber und schmiert seine Lieblingsschnitte: "Alpenbrot" mit einem Bio-Gruyère. Reber, Nella Martinetti, Wysel Gyr, Silvia von Ballmoos – alle bestreichen sie ihre Lieblingsbrötli und verteilen sie gratis ans Volk.

Sei es in den duftenden Gefilden der Kosmetikbarone oder in den warmen Backstuben der Bäcker: Der Prinz fügt sich in die jeweiligen Milieus ein. Es gehe ihm, so sagt er, um die Sache, um eine Bewusstseinsveränderung. Dann isst der überzeugte Vegetarier ein Süppchen, drei, vier Spargeln und Kartoffelstücke und verabschiedet sich.

Seine Tour geht weiter nach Griechenland. Dort, bei der Insel Alonissos, setzt er sich für die Rettung der letzten Mönchsrobben ein. Weltweit gibt es bloss noch 500 dieser Tiere, 25 davon in Griechenland. Möglicherweise glaubt man allerdings auch dort, Sadruddin Aga Khan sei "bloss der Bruder eines Sektenführers".

Infos:
Prinz Sadruddin Aga Khan, 63, ist der Sohn des 1957 verstorbenen Ismailitenführers Fürst Aga Khan III. Er wurde in Paris geboren, besuchte Schulen in Lausanne, England und Amerika und studierte Wirtschaft. Heute lebt er in einem Schloss bei Genf. Sadruddin Aga Khan stand über zwanzig Jahre im Dienst der Uno. 1965 wurde er zum Uno-Flüchtlingshochkommissar ernannt und führte dieses Amt während zwölf Jahren. Der Multimillionär (das Familienvermögen wird auf rund 750 Millionen US-Dollar geschätzt) liess sich sein Uno-Engagement lediglich mit einem symbolischen Dollar entschädigen. 1977 gründete der Prinz in Genf die "Bellerive"-Stiftung, die sich für den Umweltschutz, für Minderheitenrechte und Friedensforschung engagiert. Daraus ging 1990 die Stiftung "Alp Action" hervor. Sie hat bisher über 120 Umweltschutzprojekte in den Alpen realisiert. "Alp Action" arbeitet sehr eng mit der Privatwirtschaft zusammen.
"Moderne Unternehmen wissen, dass Ökonomie und Ökologie zusammengehören".

Seit zwanzig Jahren kämpft er für den Umweltschutz: Prinz Sadruddin Aga Khan über Greenpeace, Philosophie und menschliche Dinosaurier.

Clarins hat für das Projekt bei "Alp Action" 300 000 Franken bezahlt. Das ist sehr günstige Werbung.
Sadruddin: Symbolisch ist es viel. Immerhin engagiert sich diese Firma. Ich hoffe, dass dieses Beispiel weitere Konzerne animiert.

Glauben Sie, dass Ihre Projektpartner die Ökologie wirklich ernst nehmen?
Sadruddin: Ja, denn abgesehen davon, dass sie ihre Aktionen für ihr Marketing benutzen – das gehört dazu -, wissen moderne Unternehmen, dass Ökonomie und Ökologie zusammengehören.

Sie gelten als pragmatisch und diplomatisch. Was halten Sie von den radikalen Aktionen von Greenpeace?
Sadruddin: Wir kämpfen mit unterschiedlichen Techniken für das gleiche Ziel. Ich schätze Greenpeace sehr.

Woher stammt Ihr ökologisches Gewissen?
Sadruddin: Ich lebte stets nahe der Natur. Die zunehmende Zerstörung rüttelt mich immer wieder neu auf: Man muss etwas tun. Ich handle also aus Realismus.

Handeln Sie als Moslem nicht auch aus religiösen Gründen?
Sadruddin: Ja, es hat auch eine spirituelle Dimension. Die Natur ist für mich ein grosses Mysterium. Und wir leben in einer Zeit grosser Konflikte zwischen den Völkern und Religionen. Es gibt keine ökumenischere Philosophie, als sich die gegenseitige Abhängigkeit von der Natur zu vergegenwärtigen.

Die Gentechnologie schafft neue Tier- und Pflanzenarten. Was halten Sie davon?
Sadruddin: Ich bin absolut dagegen. Wir können nicht "Jurassic Park" spielen. Sonst werden wir selber zu Dinosauriern.

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