«Selber mahlen ist ein Luxus»
Die Tessiner Köchin Meret Bissegger gibt Getreide in ihrer Küche einen Ehrenplatz. Am liebsten mahlt sie es selber, ogal ob für Pasta oder Crêpes.
Frau Bissegger, ein Vollkornrisotto löst an unserem Familientisch stets Proteste aus. Wie schaffen Sie es bloss, dass Ihre Gäste diese Körnlipickerei mitmachen?
Meret Bissegger: Gewusst wie! Die Ablehnung hat oft damit zu tun, dass die gekochten Körner zu hart sind. Getreideküche soll gut gelernt sein.
Verraten Sie uns Ihren Trick für ein sämiges, leckeres Vollkornrisotto?
MB: Man kehrt den gewohnten Kochprozess um: Statt am Anfang kommen Säure, Salz und Hitze erst am Schluss, weil diese das Korn sonst verschliessen und hart machen. Ich setze erst ein Sofritto mit Zwiebeln, Sellerie und Karotten auf, lasse es karamellisieren, gebe dann Reis hinzu und drei Mal kaltes Wasser. Erst nach etwa dreiviertel Stunden leichtem Köcheln, wenn die Körner weich sind, beginne ich zu umzurühren, gebe Wein und Salz hinzu und alle zusätzlichen Zutaten .
Worauf gilt es noch zu achten?
MG: Schwere Körner wie Roggen und Dinkel müssen vor dem Kochen eingeweicht werden.
Welchen Stellenwert hat Getreide in Ihrer Küche?
MB: Ich gebe dem Gemüse zwar immer die erste Priorität, aber an zweiter Stelle steht bereits das Getreide. Fleisch und Fisch setze ich an den Schluss.
Wie begann Ihre Leidenschaft fürs Getreide?
MB: Als ich vor Jahren noch das Ristorante Ponte die Cavalli führte, schenkten mir meine Angestellten eine Getreidemühle. Daraufhin begann ich, mit allen erdenklichen Getreidesorten und verschiedenen Mahlgraden herum zu tüfteln: Ich mahlte feines Weizenmehl für Pasta, grobes Schrot für Grünkern-Tätschli, ich machte Buchweizenmehl für meine Crêpes und habe sogar die Polenta selbst gemahlen.
Waren Ihnen die handelsüblichen Getreidemehle denn nicht gut genug?
MB: Oh doch, Mehle in Bio-Qualität weiss ich wohl zu schätzen, aber es ist einfach ein Luxus, das Getreide selbst zu mahlen: Es riecht gut, es ist toll. Zudem kann der Handel die Getreidesorten nicht in allen möglichen Mahlgraden anbieten. Viele Naturläden leisten aber gerne den Service und mahlen ein Getreide nach Kundenwunsch.
Im vergangenen Herbst ist ihr aktuelles Kochbuch über Wintergemüse erschienen. Werden Sie auch mal eines über Getreide schreiben?
MB: Tatsächlich möchte ich gerne ein Kochbuch über Getreide und Hülsenfrüchte ausarbeiten, aber zuvor werde ich erst noch eines über Sommergemüse realisieren. Hülsenfrüchte sind übrigens auch spannend und selbst in Bio-Qualität günstig. Wer auf Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchten setzt, kann sich kostengünstige, vollwertige Bio-Gerichte leisten.
Sie engagieren sich für die Saatgutvielfalt. Was können Konsumenten tun, um die Vielfalt der Sorten zu unterstützen?
MB: Wir sollten uns über die Machenschaften der Saatgutindustrie gut informieren und uns mit den kleinen Saatgutherstellern verbünden. Hier gilt es, ein neues Kapitel im politischen Bewusstsein zu öffnen.
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