Leseproben und Projektbeschriebe

Der Mann, der Hapimag erfand

Porträt über den Pionier und den Begründer von Hapimag. Für Studio Achermann Zürich, das für Hapimag die Jubiläumszeitschrift konzipiert hat.

Der Mann, der vor 40 Jahren Hapimag erfand. Wie aus dem jungen Pfadfinder Guido Renggli ein Pionier der Tourismus-Branche wurde.

Der eine ist Mitbegründer von Hapimag und stand als Verwaltungsrat bis ins Jahr 2000 fast vier Jahrzehnte an der Spitze des Unternehmens; der andere steht genauso lange und bis heute an der Front. Nun trafen sich Guido Renggli und Erhard Tietz zum Feiern. Da, wo die Erfolgsgeschichte begann.

Die zwei Männer und das Meer: Schlendern an der Adria in die Vergangenheit. Unter ihren Badeschlappen knirschen die Muschelschalen. Am Horizont verliert sich der Strand im Dunst des Po-Deltas. Guido Renggli und Erhard Tietz denken sich zurück in die Sechziger Jahre. Damals war Guido Renggli ein junger Schweizer Anwalt, dem ein Pfadfinderkollege von der Zuger Kantonalbank ein Mandat aus Deutschland vermittelt hatte; Erhard Tietz aus Ostpreussen, Fachmann für Gebäudereinigung, möblierte für einen deutschen Unternehmer zwei Ferienwohnungen in Bad Pyrmont.

Die beiden so unterschiedlichen Herren kannten sich damals nicht. Aber sie arbeiteten – ohne es zu wissen – bereits für denselben Auftraggeber. Heute zelebrieren sie zusammen das vierzigjährige Jubiläum von Hapimag. Guido Renggli, weil er bis ins Jahr 2000 fast vier Jahrzehnten im Verwaltungsrat sass; Erhard Tietz, weil er ebenso lang in Lido di Pomposa das erste Appartementhaus der Hapimag führt. In den zuweilen "struben" Anfangsjahren litt Hapimag als absolute Pionierin der "Ferienwohnanteil-Anbieter" an Kinderkrankheiten und musste gegen Vorurteile und verbreitete Skepsis kämpfen – heute ist sie die führende europäische Anbieterin von Ferienresidenzen. Die beiden Männer erzählen, schwelgen. Sie haben zu diesem Erfolg massgeblich beigetragen.

Ein dritter Mann weilt unsichtbar – aber hörbar – unter ihnen: "Dieser Nette…!" Sohn reicher Eltern, adliger Abstammung aus Kathewitz bei Ostelbien/Sachsen. Eine zwei Meter und vier Zentimeter hohe, imposante Erscheinung, eine Autorität: Sinnigerweise hiess er Alexander. Alexander Nette. Er hatte die Idee, den Nachkriegsdeutschen Wohnrechte an Ferienimmobilien zu verkaufen und gab Guido Renggli den Auftrag, dafür eine juristische Struktur zu bauen.

Sagt Erhard Tietz: Herr Renggli, Sie und der Nette, Sie beide waren doch wie Hund und Katze!
– Mhm, er war ein Holdrio… Hatte Elan, verrückte Ideen. Er war ein hervorragender Verkäufer und Motivator.
– Ein Chaot war der Nette, aber eine eindrückliche Figur. Und seine Frau, die war die treibende Kraft. Frau Nette und ihre Schwester haben in der Anfangszeit alle Ferienwohnungen eigenhändig eingerichtet, die Möbel und das Geschirr besorg; ja sogar die Vorhänge selbst genäht. Tag und Nacht geschuftet haben die beiden Frauen.
– Nette war clever, aber er mochte sich nicht um Kleinigkeiten kümmern. Und schon gar nicht um Administration, Buchhaltung oder um juristische Belange.
– Sie, Herr Renggli, waren derjenige, der Ordnung ins Hapimag-Modell brachte. Und später bescherte uns der Doktor Schalch ein Top-Management. Seither bekamen wir regelmässig Lohn. Nette bezahlte uns ja nur alle paar Monate, wenn es ihm grad mal einfiel, bar aus der Tasche.

So also war Alexander Nettes Keim auf fruchtbaren Boden gefallen: genährt durch den Scharfsinn und die Hingabe tausender Mitarbeiter, die wie Guido Renggli oder Erhard Tietz in die Hapimag ihre volle Kraft einbrachten. Prägend war auch das Mitwirken der Aktionäre in ihrer fast einzigartigen Doppelfunktion als Kunden und Partner, als Besitzer und alleinige Benutzer. Meist wohlgesinnt, ritten sie aber immer wieder auch heftige Attacken gegen die Geschäftsführung. Dieses kritisch-konstruktive Engagement der Aktionäre war meist befruchtend; letztlich stärkten sie die Hapimag-Führung und hielten sie auf Trab. Das Unternehmen erlebte enormes Wachstum, und doch konnte es sich immer vor schnöder Profitmaximierung bewahren. Während die Time-share-Branche regelmässig an den Pleiten unseriöser Investmentfonds litt, stand Hapimag unbefleckt über den schwarzen Schafen, avancierte zur grossen alten Dame der Ferienwohnrecht-Branche.

Sagt Guido Renggli: Wir sind kostenbewusst, aber wir sind keine Profitgesellschaft, das war immer unser Vorteil.
– Das hat es der Geschäftsleitung erlaubt, menschlich zu bleiben, verantwortungsbewusst. Wir Resortmanager wurden immer sehr gut behandelt. Deshalb entstand wohl unsere hohe Identifikation mit dem Unternehmen. "stake-holder-value" nennen sie das heute. Wir nannten es einfach "eine Familie sein". Der Familiengedanke ging in den Boomjahren vielleicht etwas verloren. Aber er kehrt zurück – das hat mit der aktuellen Wirtschaftskrise zu tun. In rezessiven Zeiten halten die Menschen mehr zusammen.
– Auch für jeden von uns im Verwaltungsrat stand diese Firmen-Philosophie, die Vision der "eigenen Ferienwohnung auf der ganzen Welt" im Zentrum der Arbeit. Unser Antrieb war die hervorragende Geschäftsidee, wir glaubten daran und hatten Spass an der Arbeit.

Herr Rengglis Lohn mag nicht hoch gewesen sein, umso höher ist die Anerkennung für sein Werk: Vor zwei Jahren wurde er in Amerika als „Vater der Time-share-Industrie“ geehrt. Die ARDA (American Resort Development Association) überreichte ihm den “Lifetime Award” für seine aussergewöhnlichen Leistungen, schliesslich war es Guido Renggli, der unter anderem das Punktesystem bei der Hapimag eingeführt hatte – eine Innovation, die von den meisten Unternehmen der Branche in der Folge kopiert wurde.

Guido Renggli und Erhard Tietz haben inzwischen in ihre Abendgarderobe übergewechselt und sind ins nahe gelegene Comacchio gefahren, ein Städtchen wie Klein-Venedig: voller Kanäle, Pflastersteingassen, alter Kirchen. Da, wo im Juni jeweils die Mailänder Models von Gucci, Armani und Co. defilieren, schreiten die honorigen Herren Renggli und Tietz dem Jubiläumsabend entgegen: über die vierhundertjährige „Trepponi“- Backsteinbrücke.

Im Restaurant beim Canale del Rosario hängen schwarz-weiss Fotografien von Sophia Loren, ein Pianist spielt Hits aus den Sechzigern, der Wirt trägt frittierte Fische auf, Pasta, Meeresfrüchte und schliesslich gebratenen Aal – die Spezialität der Region. Zum Schluss wird die Küchen-Mannschaft eine Torte bringen und Herrn Tietz ein Ständchen singen. Das wird ihn dann ein wenig in Verlegenheit bringen, oft wird er nicht verwöhnt.

Viel eher verwöhnt er seine Gäste, bemuttert sie beinahe, sagt er. Er ist ja auch mehr als nur ein gewöhnlicher Gastgeber. Sein Vorgesetzter erzählt während des Essens, wie Erhard Tietz samstags immer erst einschlafen könne, wenn der letzte der Hapimag-Partner eingecheckt habe. Wie er erkrankte Urlauber persönlich zum Arzt begleite, bei Renovationen selber Hand anlege, kürzlich die Eingangshalle neu gemauert habe und auch schon einhändig aussen an den Balkonen hänge, um die Geländer frisch zu streichen. Wenn's sein soll, dann spielt er im Kinder-Animationsprogramm auch mal einen Araber. Die Stiefmütterchen vor der Eingangshalle hat er selbst gezüchtet. Und was keiner ausser ihm zustande bringt: Tietz stellt mit seiner Belegungsquote in Pomposa die ohnehin phänomenale Durchschnittsbelegung der Hapimag Resorts von fast 90 Prozent noch klar in den Schatten.

Damals beim 25-Jahr-Jubiläum sagte Tietz, es wäre schön, wenn er das Pensionsalter mit Hapimag erreichen dürfte. Jetzt wäre es bald so weit. Am nächsten Tag spazieren Erhard Tietz und Guido Renggli durch die Nachbarschaft; vorbei an Schön-Renoviertem und Pittoresk-Verfallenem. Sie schlendern aufmerksamen Auges durch das dem inzwischen angejahrten Hapimag-Appartement-Haus in Lido di Pomposa hinunter zum Strand. Wie lange wird es den hohen Ansprüchen der Partner noch genügen?

Eine Brise weht durch die spärlichen, grauen Haare der beiden Herren, die es sich auf den Liegestühle bequem gemacht haben. Auf 40 erfolgreiche Jahre Hapimag können die beiden zurückschauen. Müde sind sie noch längst nicht. Nur: wenn man die Gesichter der beiden vitalen Herren genauer betrachtet ist man nicht mehr so sicher, ob sie wirklich nur in die Vergangenheit schauen.

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